Wer vermisst es nicht: Ein eskalatives Konzert in den Hallen der Pumpe. Die Rede ist vom soziokulturellen Zentrum zwischen Altstadt und kleinem Kiel im Herzen der Innenstadt. Bereits 1979 gründete sich der Verein, der hinter diesem schönen Ort steckt. Mit seiner Arbeit wird das Ziel verfolgt, die Kulturlandschaft der Stadt in all ihren Facetten und für jede Altersgruppe zu bereichern. Strukturiert ist die Pumpe nach einem Drei-Säulen-Modell: die Veranstaltungen, das Kino und die Vergabe von Räumen an diverse Arbeitsgruppen. Carlos, der Leiter der Veranstaltungsabteilung und Booker, erzählt uns wie es in den leeren Hallen der Pumpe ist.
Wie war es für euch, als klar war, dass die Veranstaltungsbranche schließen muss?
Das war erstmal ein Schock für alle. Wir sind die erste Branche, die dicht machen musste und wir werden die letzte sein, die wieder öffnen darf. Ein paar Tage bevor der Lockdown ausgerufen wurde, hatten wir noch Konzerte hier. Corona war da aber schon Thema und die Anspannung groß. Es stellte sich immer mehr heraus, dass die Musiker*innen ihre Tourneen, wie sie geplant waren, nicht weiterführen konnten. Alle waren gestresst und besorgt, was sich auf die Stimmung im Backstage auswirkte. Am 13. März haben wir uns entschieden dicht zu machen – erst am 16. wurde es dann offiziell.
Und was geschah dann?
In der Veranstaltungsbranche gibt es sehr viele Zuarbeiter*innen und Mitarbeiter*innen, denen wir allen absagen mussten. Hinzu kamen die Kund*innen, die wissen wollten, was mit ihren Tickets geschieht. Weil wir so vieles nicht wussten, behielten die Karten ihre Gültigkeit für einen späteren Zeitpunkt. Mittlerweile sind wir bei der fünften Verlegung... In der Branche ist mensch es gewohnt, sich Veränderungen anzupassen. Aber sowas gab es noch nie.
Wie geht es der Pumpe als Veranstaltungsunternehmen?
Wir werden zu ungefähr 50 Prozent von der Stadt gefördert, sodass wir in einer Art Luxus-Position sind. Auch das Gebäude gehört der Stadt; wir können es daher mietfrei nutzen. Im Gegenzug haben wir den Auftrag, dass wir Künstler*innen unterstützen, die im kommerziellen System womöglich keine Chance auf einen Auftritt hätten. Vor der Pandemie haben wir hier, neben den acht festen Mitarbeiter*innen, ungefähr 50 Aushilfen beschäftigt. Mittlerweile sind es nur noch 18. Viele im Team sind Studierende und fallen als geringfügig Beschäftigte leider komplett durch das Raster. Auch unsere ganzen Dienstleister*innen aus der Ton- oder Lichttechnik oder Ähnliches können wir gerade kaum mehr beschäftigen.
Versucht ihr in irgendeiner Weise dem entgegenzuwirken?
Zwischen den Lockdowns konnten wir ein paar Veranstaltungen durchführen und damit wieder Leute beschäftigen. Jetzt im zweiten Lockdown versuchen wir einige Renovierungs- und Putzarbeiten anzugehen - aber vergleichbar ist das nicht.
Im Sommer konnten auch einige Tanzkurse wieder stattfinden, für die wir Bereiche am Boden markiert haben. Insgesamt fordert die Situation immer wieder unsere Kreativität, aber wir machen das Beste daraus.

Wie nimmst du diese Wandlungen emotional wahr?
Sehr traurig. Mit unserer Arbeit möchten wir Menschen glücklich machen, das geht nun nicht. Viele in der Branche dachten tatsächlich, dass es nach dem Sommer weitergehen würde. Wir hatten auch Konzerte in den November 2020 verlegt, was bekanntermaßen nicht geklappt hat. Im Gegensatz zum ersten Lockdown war der zweite dann aber keine Überraschung mehr. Immerhin war die Ungewissheit dann nicht mehr so stark.
Hast du Wünsche für die kommende Zeit, die du an die Politik oder an die Gesellschaft richten würdest?
Weil dieses ganze Management einer Pandemie für alle neu ist, will ich der Politik gar keine großen Vorwürfe machen. Den ganzen freischaffenden Künstler*innen und Selbstständigen aller Art in dieser Branche; denen müsste vermehrt geholfen werden. Insgesamt wünsche ich mir, dass wir alle versuchen, optimistisch und gesund zu bleiben, damit wir die Hoffnung nicht verlieren, dass wir irgendwann wieder tanzen können!
Wann könnte es wieder weiter gehen?
Buchungen, die derzeit stattfinden, beziehen sich größtenteils auf 2022. Wann es wieder so wird, wie früher, ist wirklich schwer, einzuschätzen. Vor allem, wenn es um internationale Künstler*innen geht, kann mensch es kaum greifen. Es reicht nicht, dass wir in Deutschland alle geimpft sind. Viele Länder sind in dem Bezug leider nicht so privilegiert wie wir hier.
Inwieweit wird diese Zeit uns nachhaltig prägen?
Ich denke, dass eine Unsicherheit in der Begegnung mit anderen Menschen bleiben wird. Es wird schwierig werden für Menschen, wieder Nähe zulassen zu können, was  absolut schade ist. Ich würde gerne erfahren, was sich das Publikum wünschen würde, wie wir mehr Sicherheit geben können. Wir merken bei den Verkaufszahlen, dass die Leute vorsichtig sind. Es gibt auch schon Umfragen zum Thema, dass nur geimpfte Menschen ein Konzert besuchen dürfen oder vor jedem Konzert Schnelltests durchgeführt werden. Das klingt für mich wie Science Fiction, wenn ich mir das vorstelle. In der Branche geht es auch um ein Freiheitsgefühl, nach dem wir alle streben. Diese Regelungen würden es beeinträchtigen.
Was macht das mit der Kulturbranche?
Leider bin ich davon überzeugt, dass viele in der Kulturbranche diese Situation nicht überleben werden. Trotzdem hoffe ich, dass so viele wie möglich gut aus dieser Zeit herausgehen. Aber es wird schwer sein. Ich glaube außerdem, dass sich diese digitale Kulturlandschaft mehr und mehr etablieren und bleiben wird.
Was für einen Stellenwert hat die Pumpe in der Kulturlandschaft Kiels?
Ich denke, der Inhalt den wir anbieten ist sehr attraktiv. Wir hatten immer eine große Nachfrage, die vor allem in den letzten zehn Jahren stark gestiegen ist. Die Konzerte, die Partys und das Kinoprogramm spricht unterschiedlichste Altersgruppen an. Die Pumpe bietet einen Raum für Jugendliche und ihre ersten Tanzerfahrungen und gleichzeitig einen für Senior*innen, die hier auch mal wieder das Tanzbein schwingen können. Wir arbeiten alle mit Herzblut und wollen ein tolles Programm für Kiel schaffen.
Ist Kultur systemrelevant?
Ich sage ganz klar: Ja! Es ist ein Ventil für die Menschen und eine besondere Art der Kommunikation. Egal, wie: Metall-Konzert oder einfaches Treffen von Leuten in der Kneipe. Kultur ist für mich eine der schönsten Arten, zu kommunizieren. Dabei geht es auch nicht nur um Spaß: Kultur ist politisch, sozialkritisch oder emanzipatorisch. Sie ist daher ohne Frage relevant für eine Gesellschaft. Solange das Publikum, das auch so sieht, haben wir nichts zu befürchten.

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