Die Hansa 48 ist Vieles: Wohnprojekt, Kneipe, Kulturbühne, Kunstraum, Kino und noch mehr. Im März diesen Jahres wird die Hansa 40 Jahre alt – steht also mitten im Leben.
Als Kulturzentrum ist sie ein besonderer Raum für Kunst- und Kulturschaffende aller Art und wird aufgrund ihres diversen Angebots von den verschiedensten Menschengruppen besucht und von Herzen geschätzt. Neben Kunst und Kultur finden auch politische Gruppen hier einen Raum für Austausch und Debatten.
Ein wichtiges Merkmal der Hansa 48 ist ihre Organisation als Kollektiv, daher gibt es in der Kneipe weder Chef noch Chefin. Entschieden wird nach dem Konsens-Prinzip. Die vielen schönen Events werden vom Kulturbüro der Hansa48 organisiert, dessen Leiter Jan-Hinnerk ist. Mit ihm und mit Teresa, die Teil des Kneipenkollektivs ist, haben wir über die aktuelle Situation gesprochen.

Hinnerk vom Kulturzentrum und Teresa vom Kneipenkollektiv sitzen auf dem leeren Tresen in der leeren Hansa 48.

Wenn die Gäst*innen nicht da sind: Teresa und Hinnerk sitzen auf dem Tresen

Wie geht es euch in diesen Zeiten?
Hinnerk: Uns als Kulturzentrum geht es ganz gut, denn wir sind in der privilegierten Situation, sowieso zum Teil von der Stadt gefördert zu werden. Ich persönlich war dadurch auch finanziell abgesichert. Im November konnten wir zudem staatliche Hilfe in Anspruch nehmen, um den Wegfall der Einnahmen der Veranstaltungen auszugleichen.
Teresa: Wir als Kneipenkollektiv haben in den letzten Jahren recht gut gewirtschaftet, sodass wir uns bis jetzt noch den Betrag auszahlen konnten, den wir zum Leben unbedingt brauchen. Da wir eine Vereinskneipe sind, können wir leider keine Wirtschaftshilfen bekommen. Seit Januar können wir uns nichts mehr auszahlen. Zum Glück kommen wir inzwischen fast alle ganz gut ohne das Gehalt hier klar. Die Hansa ist für uns alle ein Nebenjob, aber gleichzeitig viel mehr als das. Es geht uns nicht nur um das Geld, sondern auch darum, kreativ den Raum und die Kultur zu gestalten.
Wie war es für euch, als es zum ersten Mal hieß, dass ihr dicht machen müsst?
Teresa: Unser letzter Tag war der 13. März, das weiß ich noch ganz genau. Offiziell hätten wir erst ein paar Tage später schließen müssen, aber auf die zwei Tage kam es nun auch nicht mehr an. Vor allem, weil hier auch über 30 Leute wohnen und wir im Kollektiv auch sehr viele Leute sind. Wir richten uns generell immer nach der Person, die am vorsichtigsten ist. Am 18. Mai hätten wir dann wieder aufmachen dürfen, haben uns aber dagegen entschieden.
Wieso das?
Hinnerk: Das haben wir entschieden, weil wir nach der Kieler Woche sowieso immer eine Sommerpause bis Ende August haben, damit die Bewohner*innen den Hof für sich haben können. Es hätte sich also für diesen einen Monat nicht gelohnt.
Alle Stühle sind hochgestellt, hier kommt gerade sowieso niemensch vorbei.
Alle Stühle sind hochgestellt, hier kommt gerade sowieso niemensch vorbei.
Prominent im Eingangsbereich: Der Desinfektionsspender
Prominent im Eingangsbereich: Der Desinfektionsspender
QR Codes zur Registrierung
QR Codes zur Registrierung
Und ab Ende August ging es dann wieder los?
Teresa: Genau. Wir hatten eine Begrenzung von 50 Personen, Tischbedienung und eine digitale Karte. Das Bühnenprogramm haben wir in alle Räume gestreamt. Die Leute, die in die Hansa kommen sind super entspannt und es haben sich alle an die Regeln gehalten. Es wurde auch gut angenommen. Die Freitag- und Samstagabende waren wieder voll und wir konnten uns sogar finanziell wieder tragen, obwohl wir nur drei Tage die Woche geöffnet hatten.
Ihr hattet auch ein Crowdfunding, wie sah das aus?
Teresa: Bei dem Crowdfunding konnte mensch Verschiedenes kaufen: Zusammen mit dem Siebdruck-Kollektiv haben wir T-Shirts und Beutel bedruckt; ein Bewohner möchte gerne Rundgänge durch die Hansa geben; es soll auch einen FLINT-Dj-Workshop geben. Die meisten Sachen konnten wir wegen Corona leider noch nicht umsetzen. Außerdem haben wir 1/5 der Einnahmen gespendet, weil es bei uns ja nicht darum geht, dass die Hansa an sich in Gefahr ist. Mit dem Geld konnten wir einen Teil der Löhne zahlen, sodass niemand Existenzängste haben musste.
Wie war eure Lage dann im November?
Hinnerk: Tja, da mussten wir dann alles wieder absagen, was eigentlich geplant war. Für mich ist die Arbeit derzeit sehr anstrengend, weil vieles so ungewiss ist. Ich mag es lieber, von langer Hand zu planen. Normalerweise würde ich jetzt planen, was wir im November 2021 machen wollen. Aber das geht gerade nicht.
Hattet ihr Befürchtungen, dass bei euren Veranstaltungen Corona ausbricht?
Hinnerk: Ne, nicht direkt. Ich war mir sehr sicher, dass wir mit unseren Konzepten den Anforderungen der Politik entsprachen. Komplett verhindern können wir es alle nicht. Wir haben uns an die Auflagen gehalten und es ist alles gut gegangen. Ich glaube, wenn ich mir immer exakt ausmalen würde, was alles passieren könnte, dann würde ich verrückt werden!
Mit Markierungen ausgestattet: Der Eingangsbereich der Hansa
Mit Markierungen ausgestattet: Der Eingangsbereich der Hansa
Bis mindestens 30.11. geschlossen.
Bis mindestens 30.11. geschlossen.
AHA-Regeln an der Hansa
AHA-Regeln an der Hansa
Was sind eure Wünsche für die kommenden Monate?
Hinnerk: Es darf gerne alles schnell vorbei sein! Ich wünsche mir, dass die Impfung schnell Anklang findet, sodass wir nach der nächsten Sommerpause wieder annähernd normal aufmachen können.
Teresa: Ich wünsche mir einen Raum mit ganz vielen Menschen eng aneinander, wo der Schweiß von der Decke tropft! [lacht]
Meinst du das wird was in naher Zukunft?
Teresa: Also es ist mein Wunsch ... Ich weiß natürlich nicht, ob es jemals wieder so wird. Es geht ja nicht nur darum, ob wir es wieder dürfen, sondern auch darum, ob die Menschen das wollen. Viele haben vielleicht weiterhin Respekt oder wollen sich sowas gar nicht mehr geben. Wer weiß...
Habt ihr Hoffnungen und Wünsche, die ihr direkt an die Politik richten würdet?
Teresa: Also da wir hier tatsächlich oft durch das Raster fallen, würde ich mir wünschen, dass Hilfen mehr an die unterschiedlichen Strukturen angepasst sind. Bei uns sind die meisten auf 450-Euro-Basis angestellt und das fällt komplett durch. Außerdem würde ich mir zukünftig wünschen, dass besser durchdacht wird, wann und wer überhaupt schließen muss. Klar sind es weniger Kontakte, wenn die Gastro wegfällt. Ich finde aber, dass wir uns alle krass am Riemen gerissen und alles sehr gut umgesetzt haben. In den Fabriken müssen die Arbeiter*innen immer noch eng aneinander am Fließband stehen, weil das für irgendwelche Konzerne wichtig ist. Dass die das weiterhin müssen, ist einfach ein Ungleichgewicht, das oft nicht mitgedacht wird.
Hinnerk: Ja, ich finde auch, dass darüber mal etwas mehr geredet werden sollte. Mit was für einer Selbstverständlichkeit manches nicht in Frage gestellt wird. Es ist sehr interessant, dass solche Diskussionen nicht geführt werden, was aufzeigt, wie das Verhältnis zwischen Gesundheit und Wirtschaft ist. 
Teresa: Die Sicht auf Kultur ist scheinbar auch eine, die davon ausgeht, dass es nichts Lebenswichtiges ist. Es wird manchmal nicht gesehen, dass Leute damit Geld verdienen und es wird häufig nicht anerkannt, dass es wichtig für die Seele ist. Auch im sozialen Sinne ist Kultur für viele sehr essentiell, weil sie nur so ihre Kontakte haben, die sonst wegfallen. 
Wieso ist die Hansa 48 als Kulturraum so wichtig?
Teresa: Naja, gerade in diesen Zeiten, in denen Vieles unsicher ist und viele Menschen unzufrieden sind, sind Räume der Begegnung besonders wichtig. Menschen fühlen sich gerade jetzt alleine und genau dafür ist Kultur da. Es ist wichtig mal abschalten, sich von der oft belastenden Realität erholen zu können. Digital kann das nicht aufgefangen werden. 
Hinnerk: Auch der Raum für Debatten und Auseinandersetzung, den wir sonst bieten, fällt weg und das ist gerade jetzt so wichtig. Damit mensch beispielsweise neben allen guten Dingen, die von der Politik ausgehen, auch den Raum hat, Dinge zu benennen, die versäumt werden.

Wo sonst Kunst ausgestellt wird spielen die Bewohner*innen nun Tischtennis

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