Das Mum & Dad ist alles, was du brauchst. Tagsüber ist es Café für Kuchen-, Chai- und Sandwich-Gelüste; abends Cocktail-Bar und Szene-Kneipe. An Samstagen bietet es eine Bühne für DJ-Sets, Konzerte oder Lesungen. In der Wohnzimmer-Atmosphäre des hellen Raumes mit goldenen Wänden und mit Discokugeln behangen sollen sich die Gäste wohlfühlen und sich um nichts mehr kümmern müssen. Zweimal im Jahr verlassen die Möbel den Raum, um Platz für eine tanzende Meute und die Bässe des DJ-Pults zu schaffen.
In Corona-Zeiten haben sich Markus und sein Team etwas Originelles ausgedacht: Cocktails für Zuhause inklusive Lieferservice. Kleine Glasfläschchen, Eis im Zipper und kleine How-To Zettelchen für das Cocktail-Erlebnis im eigenen Heim. Denn das Mum&Dad kann seinem Dasein als Wohnzimmer-für-alle vorerst leider nicht gerecht werden.
Wie war es bei euch, als der erste Lockdown kam?
Es war glaube ich für alle nicht wirklich absehbar, dass es sich innerhalb von zwei Wochen von „Ok es gibt einen Virus, der sich recht schnell verbreitet“ zum „Komplett-Lockdown, alles wird runtergefahren“ entwickelt. Wir haben zum Glück schnell reagiert mit unserem Cocktail-Service, der einer Schnapsidee von einem aus dem Team entsprungen ist.
Wie lief das?
Natürlich hatten wir keinen Plan vom Lieferbetrieb, sodass von der Routenplanung bis zur Termineinhaltung einiges schief ging. Es kam anfangs auch mal vor, dass wir den ein oder anderen Cocktail erst am kommenden Tag lieferten. Aber das Großartige war: Niemand war uns böse. Wir wurden von Woche zu Woche immer professioneller, sodass es jetzt im zweiten Lockdown direkt gut läuft. Dass eine zweite Welle kommen würde, war mir sowieso klar, sodass wir uns im Team besser darauf vorbereiten konnten. Das Take-Away haben wir jetzt im zweiten Lockdown auch einfach weiter gemacht. Wir sind mittlerweile gut eingespielt.
Wie konntet ihr euch finanzieren?
Wir haben zum Glück ziemlich schnell Staatshilfe bekommen. Man musste im ersten Lockdown einen Antrag stellen und konnte sich die Fixkosten erstatten lassen. Es wurde schon oft kritisiert, dass dieses Hilfesystem auf viele Selbstständige, wie freie Künstler*innen, gar nicht angepasst ist. Auf mich hat es gepasst, da ich sehr hohe Fixkosten habe, die ich dadurch dann drei Monate lang decken konnte. Zusammen mit dem Cocktailgeschäft ging es dann einigermaßen.
Wie steht es um dein Team?
Ich habe eine Festangestellte, die ich in Kurzarbeit schicken konnte, sodass sie zum Glück abgesichert ist. Die anderen Angestellten sind aber größtenteils Studierende, denen dann leider der Job weggebrochen ist. Über die Cocktails konnten wir auch das ein bisschen auffangen, indem alle immer mal arbeiten konnten. Ein paar Mitarbeiter*innen finanzieren sich leider komplett über die Arbeit im Mum&Dad. Dass ich denen nicht großartig helfen konnte, war für mich das Schlimmste.
Wie war die Lage im Sommer, als einiges wieder stattfinden durfte?
Wir hatten wieder geöffnet. Das Fiese bei mir ist allerdings, dass ich immer eher ein Sommerloch habe, weil es hier fast keine Außenplätze gibt. Das bedeutet, dass ich mir aus der Wintersaison einen Puffer schaffen muss. Im Corona-Sommer war es tatsächlich etwas anders, weil wir die Tourismuswelle ein bisschen abbekommen haben. Das finde ich persönlich gar nicht so geil, aber finanziell hat es schon geholfen. Ich will aber eigentlich für die Locals da sein.
Welchen Unterschied nimmst du zwischen Lockdown I und II wahr?
Der Hype für die Cocktails ist auf jeden Fall nicht mehr so stark. Und auch das generelle Take-Away-Geschäft läuft schleppend. Man kann nicht wirklich davon sprechen, damit Geld zu verdienen gerade. Die Einnahmen gehen meistens für den Wareneinsatz und die Lohnkosten drauf. Mit der November- und Dezemberhilfe haben wir etwas geilere Hilfe bekommen, die sich an dem Umsatz und nicht den Fixkosten orientiert. Dadurch darf ich mir auch ein Gehalt auszahlen. Ich muss meinen Kühlschrank ja auch irgendwie füllen und kann vor Allem Rücklagen für den Sommer bilden. Jetzt im Januar gibt es aber wieder nur eine Überbrückungshilfe – also wieder nur Fixkosten.
Was wünschst du dir für die (nahe) Zukunft?
Mmmh... Perspektiven vielleicht. Also ich finde in erster Linie brauchen wir eine Impfkampagne, die aufklärt. Das gibt es einfach noch gar nicht. Das einzige, was man findet, sind super viele unterschiedliche Meinungsbilder und aufbauschende Meldungen in den Medien. Das führt eher dazu, dass viele sich nicht impfen lassen wollen. Aber wir müssen irgendwie zu einer Herdenimmunität kommen, sonst bewegen wir uns immer weiter in dieser Spirale. Ich will im Spätsommer einfach mal durch sein mit dieser Scheiße.
Wie geht’s wohl bis dahin weiter?
Ich glaube nicht, dass ich vor April wieder aufmachen darf. Bis dahin hoffe ich weiterhin auf die Staatshilfe. Ich würde sagen, dass ich es schon noch ein paar Monate durchhalte. Sollte die nächste Wintersaison auch ausfallen, dann würde es schwierig für mich werden. Jetzt gerade bin ich finanziell auf dem Level eines Studierenden. Das ist ok, aber auf Dauer geht das nicht, weil ja doch manchmal größere Summen aufkommen.
Abgesehen von deinem ökonomischen Erhalt: Wieso ist es wichtig, dass Unternehmen wie deins wieder öffnen dürfen?
Die Gastronomie ist essentiell für unser gesellschaftliches Leben. Dass Menschen sich im öffentlichen Raum begegnen ist wichtig. Wir erleben es ja gerade, dass es das nicht gibt und ich glaube, das macht sehr viel mit uns. Viele suchen auch Cafés auf, um ihren Arbeitsplatz auszulagern, um kreativ sein zu können. Auch dass sich unser Raum wieder für Künstler*innen öffnen kann, ist sehr dringend. Machen wir uns nichts vor: Sich den X-sten Stream anzuschauen, schockt so langsam auch nicht mehr.
Welche Rolle hat das Mum&Dad in der Kieler Kulturszene?
Das Mum&Dad ist ein Ort, an dem die Bedürfnisse nach Freizeit und Geselligkeit gestillt werden. Wir wollen ein Zuhause sein und sind es für viele auch. Ich bin außerdem Gastronom geworden wegen der Bargespräche. Es entsteht ein ganz besonderer Gesprächszauber, den ich sehr vermisse.