Das Subrosa stellt bereits seit Mitte der 90er Jahre einen kulturellen Raum in Gaarden dar. Als Kollektiv organisiert und mit einem linksradikalen Anspruch ist es Café, Restaurant und Kneipe zugleich. Kulturelle Veranstaltungen, die hier normalerweise stattfinden stehen stets für Solidarität im Miteinander ein. Hinter dem Rosi steht der ‘Verein zur Förderung der Subkultur in Gaarden’ und seit etwas zehn Jahren hat es sich von einer kleinen Kneipe für und von Freund*innen zum fest etablierten Ort der Kieler Kulturszene entwickelt. Die politische Haltung ist während der Pandemie geblieben, doch Veranstaltungen konnten nicht mehr stattfinden. Stellvertretend für das 16-köpfige Kollektiv haben uns Alex und Herb ihre Situation seit dem ersten Lockdown erzählt.

Die Kollektivistas des Subrosa vor ihrem Laden

Wie war es für euch, als das Rosi schließen musste?
Alex: Zwei Tage vor dem Lockdown haben wir hier schon dicht gemacht. Wir haben einfach gemerkt, dass unser Wissen sehr vage ist und waren uns unsicher, wie wir richtig handeln sollten, wenn Gäst*innen bei uns sind. Dann haben wir uns direkt der Frage gewidmet: Was machen wir jetzt? Die erste Umstellung war, dass wir uns nur noch online treffen konnten. Allein das hat schon etwas im Team verändert, weil die Gesprächsatmosphäre einfach eine ganz andere ist. Wir haben dann kleinere AGs gegründet, die Verschiedenes geplant haben. Im Fokus stand das „Machen“, wobei keine Zeit zum Reflektieren blieb. Eigentlich hatten wir uns zu der Zeit letztes Jahr im März inhaltlich stark mit der Arbeitsform im Kollektiv auseinandergesetzt, was dann aber erstmal auf Eis gelegt wurde.
Herb: Finanziell gesehen standen wir dann auch vor einer großen Herausforderung. Bedeutsame Rücklagen hatten wir nicht und schauten daher, welche Zahlungen wir erstmal aufschieben konnten. Hinzu kam, dass überhaupt nicht abzusehen war, wie lange dieser Zustand andauern würde. Die Soforthilfe haben wir zum Glück damals bekommen, genauso wie die November- und Dezemberhilfen. Dadurch konnten wir uns unsere Löhne auszahlen, was super war. Inzwischen geht das leider nicht mehr und viele von uns sind wieder in Kurzarbeit. Im Ersten Lockdown entschieden wir uns außerdem bewusst gegen einen Außer-Haus-Verkauf, weil wir nicht gesehen haben, dass sich der Aufwand rechnen würde.
Wie habt ihr diese Zeit stattdessen genutzt?
Herb: Von einem regelmäßigen Gast, der bei der Sozialkirche in Gaarden tätig ist, wurden wir gefragt, ob wir bei einem Projekt für wohnungslose Menschen der Stadtmission mitmachen wollen. Durch den Lockdown mussten auch soziale Einrichtungen schließen, was zur Folge hatte, dass viele Menschen plötzlich keine warme Mahlzeit mehr bekamen. Bei dem Projekt ‚Sattmisson‘ haben wir uns dann beteiligt und in dem Zuge seit Ende März 50 vegan-vegetarische Mittagessen am Tag gekocht. Die Strukturen für das Projekt wurden total schnell aus dem Boden gestampft. Es wurde zunächst über Spenden finanziert und immer mehr Gastronomen haben mitgemacht. Für uns war es Solidarität in der Praxis. Uns ging es daher nicht ums Geld. Im Endeffekt hat sich die Stadtmission stark dafür eingesetzt, dass es noch Gelder von staatlichen Stellen gibt, was auch geklappt hat.
Alex: Unser anderes Projekt war die Start-Next-Kampagne. Wir haben eigentlich im Spaß phantasiert, was wohl Prämien sein könnten, über die sich Unterstützer*innen freuen würden. Einiges haben wir dann aber umgesetzt. Für die Zukunft haben wir verschiedene Workshops geplant, die mensch buchen konnte. Zum Beispiel wird eine unsere*r Köch*innen zu den Leuten nach Hause kommen und mit ihnen ein veganes Barbecue machen. T-Shirts und Beutel hatten wir auch. Dafür haben wir mit ‚No Collar Siebdruck‘ aus Kiel zusammengearbeitet und ein befreundeter Designer hat für uns den Schriftzug „Rosi bleibt“ gestaltet. Finanziell lohnte es sich, womit wir gar nicht gerechnet hatten, was uns aber sehr erleichterte. Es war sehr schön, zu erfahren, dass das Subrosa so vielen Menschen am Herzen liegt.
Wie gestaltete sich der zweite Lockdown für euch?
Alex: Die meisten von uns waren viel besser darauf vorbereitet, was auf organisatorischer sowie auf emotionaler Ebene von Vorteil war. Wir starteten dann doch mit einem Außer-Hausverkauf.
Herb: Genau, der lief auch sehr gut an und hat sich mittlerweile etabliert. Mensch muss aber sagen, dass es sich finanziell nicht so richtig rechnet. Der Gewinn fällt sehr gering aus. Aber es ist schön präsent zu sein und den Leuten, die das Subrosa vermissen, etwas zurückgeben zu können. Die Sattmisson wurde als Hilfe nicht mehr benötigt, wie es noch im letzten Frühjahr der Fall war, weil Suppenküchen und Tafeln geöffnet bleiben durften. Ich war mittlerweile auch an der Organisation beteiligt und wir entschieden uns dann dazu, ein Weihnachtsessen am 4. Advent zu planen. Wir kochten dafür das vegane Essen. Diese Aktion war sehr schön und weckte bei vielen von uns ein Gemeinschaftsgefühl. Vor allem, weil die Gastronom*innen aus so unterschiedlichen Bereichen kamen.
Wie stand und steht es um die Gestaltung von Kultur?
Alex: Unser Kulturprogramm konnten wir seit Beginn der Pandemie nicht mehr machen. Auch der regelmäßig stattfindende Punkrock-Tresen oder andere Stammtische fallen seitdem aus. Zwischen den Lockdowns, als wir geöffnet haben durften, waren diese Veranstaltungen auch nicht möglich, da unser Raum nicht groß genug ist, als dass wir es verantworten hätten können. Die Küche hätten wir wahrscheinlich auch schließen müssen, damit Hygienekonzepte irgendwie hätten eingehalten werden können. Aber der Restaurantbetrieb ist als wirtschaftliches Standbein einfach zu wichtig, als dass wir darauf zurzeit verzichten könnten. Das Angebot eines kulturellen und politischen Treffpunkts macht das Subrosa ganz stark aus. Der Wert meiner Arbeit liegt insbesondere in der Schaffung dieses linkspolitischen Kulturangebots und macht das Subrosa einzigartig.
Wie ist die Situation für euch persönlich?
Alex: Ich habe gemerkt, dass das Subrosa und die Leute, die dazu gehören, sehr wichtig für meine Struktur waren. Im Gegensatz zu anderen Menschen, die ihre Jobs verloren hatten, nicht mehr zur Uni gehen konnten und auch ihre Freizeit nicht mehr wie gewohnt ausleben konnten, hat mir das Rosi sehr viel Halt gegeben. Es hat mit ein Stück weit Sicherheit gegeben und wir alle haben beispielsweise durch die Start-Next-Kampagne eine starke Handlungsfähigkeit erleben dürfen. Ich weiß, dass viele eher in einem Zustand der Ohnmacht waren. Daher bin ich sehr dankbar, dass ich weiterhin Teil des Kollektivs sein kann.
Herb: Für mich ist es gerade wieder ein Schwebezustand, von dem ich nicht weiß, wie lange er anhält. Ein Bekannter meinte an Weihnachten schon, dass es vor April wohl nichts mehr werden würde, dass wir wieder öffnen können. Mittlerweile denke ich leider auch in diese Richtung. Diese Ungewissheit zerrt schon sehr an den Nerven, auch wenn wir uns mittlerweile schon dran gewöhnt haben. Meiner Ansicht nach wäre es derzeit aber auch tatsächlich unverantwortlich, den Restaurantbetrieb wieder laufen zu lassen. Da wir merken, wie vielen das Rosi etwas bedeutet, bin ich positiv gestimmt, dass wir gemeinsam auch 2021 überstehen werden.
Was fehlt, wenn das Subrosa dicht ist?
Alex: Der Außer-Haus-Betrieb derzeit kann die normale Atmosphäre natürlich nicht ersetzen. Ich freue mich über jedes Gesicht, das ich antreffe – auch mit Maske. Aber die Stimmung, die hier normalerweise entsteht, fehlt total: wenn Menschen den Raum füllen, wenn Musik läuft, wenn es sich im Laufe des Tages von Café über Restaurant zur Kneipe entwickelt. Manchmal vermisse ich sogar den besoffenen Wahnsinn, der hier manchmal entsteht, und dass wir die letzten Leute dann noch eigenständig rausfegen müssen. Es ist sehr steril geworden im Ablauf. Aber wir müssen noch ein bisschen durchhalten und ich hoffe, dass wir das Subrosa dann alle wieder genießen können.
Herb: Ich arbeite viel in der Küche und meistens alleine. Weil hier im Raum sonst nicht viel los ist, fühlt es sich eher an wie eine Abfertigung, weil kein direkter Austausch stattfindet. Positiv für mich ist gerade, dass wir viele neue Gerichte ausprobieren, was Spaß macht. Weniger Spaß macht es, das Essen nicht auf einem Teller anzurichten. Allerdings merke ich seit November doch, dass viel Druck wegfällt. Der Grund dafür ist, dass wir, als wir geöffnet hatten, durch die ganzen neuen Regelungen auf viel mehr achten mussten, was einfach sehr anstrengend war.
Wie steht es zukünftig um das Subrosa?
Herb: Das Haushaltsjahr 2020 und so wie es aussieht auch 2021 fallen wirtschaftlich gesehen einfach weg. Die Umsätze, die wegfielen werden nicht mehr wieder kommen, egal wie gut die staatlichen Hilfen sind. Alles, was wir vorhatten in die Infrastruktur zu stecken, beispielsweise auch, dass wir den Stundenlohn auf Dauer gerne anheben möchten, muss erstmal warten. Nach dem ersten Lockdown wussten wir schon nicht, ob die Leute wiederkommen werden. Jetzt wissen wir es wieder nicht. Es ist sinnvoll, die Pandemie zu dämmen, indem Kontakte gemieden werden. Wenn mensch dann aber sieht, welche Unternehmen gerettet werden und dass wir ein paar Hilfen bekommen und irgendwann wieder öffnen dürfen, kann es auch frustrierend sein.
Alex: Viele von uns mussten nun auch anderen Lohnarbeiten nachgehen, weil es bei uns nicht reichte. Es muss gesagt werden, dass wir alles solidarisch entscheiden und es trotzdem so gekommen ist. Ich frage mich dann schon manchmal, wie es wohl in anderen Betrieben aussehen muss. Denken die Chef*innen darüber nach, wie ihre Mitarbeitenden ihre Miete zahlen?
Gibt es konkrete Wünsche die Politik betreffend?
Alex: Stichwort Miete: Uns wurde im ersten Lockdown eine Mietstundung nicht bewilligt. Große Ketten konnten einfach sagen, sie zahlen die Miete nicht, weil kein Umsatz da ist. Dies zeigt ein Ungleichgewicht und an dieser Stellschraube könnte meiner Meinung nach mehr gedreht werden. Wenn die eigene Existenz bedroht ist, gewinnen oftmals egoistische Gedanken. Ich wünsche mir aber mehr Solidarität.
Herb: Wenn das Geld da ist, um irgendwelche Großkonzerne zu retten, dann hätte die Politik auch sagen können, dass die Hilfen aus den letzten beiden Monaten 2020 auch jetzt noch fortgesetzt werden. Auf mich wirkt es so, als müssten wir selbst zusehen, wie wir durch diese Krise kommen. Kultur wird in diesem Sinne einfach weniger wertgeschätzt. Ich wünsche mir eine gerechtere Verteilung von Geldern und dass auch die Bedeutung immaterieller Werte anerkannt wird. Es lässt sich beispielsweise fragen: Warum werden jetzt noch Kriegsschiffe produziert? Wo ist da der Sinn?

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