In der Oldschool-Atmosphäre des Raumes mit roten Wänden und niedrigen Decken gibt es die Musik von kleineren Bands verschiedenster Genres auf die Ohren. Von Disco über HipHop bis Metal-Rock ist alles dabei. Genau das ist es, was die Bude so einzigartig macht: Verschiedene Musikgeschmäcker und -szenen treffen sich im gleichen Raum - keine*r soll ausgeschlossen werden. Unabhängig vom persönlichen Geschmack, eint die Schaubudengänger*innen vor allem die Liebe zu Live-Konzerten. Organisiert wird die Schaubude von dem Verein „Go Kiel Yourself“, der Untergrund-Konzerte noch unbekannter Künstler*innen fördert. Wir haben bei der Schaubude vorbeigeschaut und mit dem Geschäftsführer Richard gesprochen.
Wie war’s für euch im ersten Lockdown? Ist ja schon fast ein Jahr her..
Wir waren komplett im Booking-Stress. Es war schon fast das Ende der Saison vor der Flaute im Sommer. Wir hatten also viele Pläne, um das Sommerloch finanziell füllen zu können. Als wir zuerst vom Virus hörten, dachten wir, dass das schon vorbei gehen würde. Es gab ja schon manch andere Viren in den Letzten Jahren. Wir haben uns daher nicht weiter damit beschäftigt, bis in der Club-Szene Anfang März rumging, dass eventuell ein Lockdown kommen würde. Als es dann feststand, waren wir geschockt und haben direkt die Veranstaltungen für das Wochenende vor dem offiziellen Lockdown abgesagt.
Wie war das emotional für dich?
Ich war erstmal total emotionslos. Ich dachte mir ‚OK, dann machen wir zu, geht ja nicht anders‘. Der mentale und emotionale Einbruch kam für mich und auch für das Team erst im Sommer, als wir bemerkten, dass nicht nur Clubs geschlossen waren, sondern auch Festivals und so viele andere Kulturveranstaltungen nicht stattfinden konnten. Es war einfach nichts los im Sommer. Normalerweise bin ich fast jedes Wochenende auf einem Festival, was für mich Urlaub bedeutet. Indoor-Veranstaltungen laufen sowieso nicht, sodass auch in der Bude nicht viel läuft.
Wie erging es der Schaubude?
Es war sehr ungewiss, wie es überhaupt weitergehen sollte. Die meisten im Team haben sich über die Schaubude finanziert; die erwischte es daher richtig hart. Im Team stellten sich einige Fragen: Wann können wir wieder öffnen? Können wir es überhaupt wieder reaktivieren? Für die mentale Einstellung war das ziemlich übel.
Wie stand es um die finanzielle Lage?
Es dauerte erstmal, bis wir die erste Soforthilfe bekommen konnten. Wir hatten zum Glück noch einen kleinen Puffer, der dann aber auch ziemlich ausgeschöpft war. Die Soforthilfe reichte leider nicht Mal, um die Miete zu zahlen. Ich verhandelte dann mit der Vermieterin, sodass wir die Zahlung aufschieben konnten. Sie zeigte sich zum Glück einsichtig. Mittlerweile sieht es leider wieder anders aus und die Miete muss gezahlt werden. Wir machen uns jetzt gerade Gedanken, wie wir das nächste halbe Jahr beschreiten. Mit der November- und Dezemberhilfe konnte ich gerade mal die Differenzen bei der Miete wieder ausgleichen.
Zwischendurch konnten hier Gruppen an Bierbänken Konzerten lauschen
Zwischendurch konnten hier Gruppen an Bierbänken Konzerten lauschen
Wie sieht es jetzt gerade bei euch aus?
Unter dem Strich ist es gerade +/-0. Ob wir das ganze Jahr so durchhalten, ist fraglich, aber wir bleiben optimistisch. Wenn es mit den Staatshilfen so weitergeht, könnte es klappen. Ich würde es auf alle Fälle gerechtfertigt finden. Wir und auch andere in der Branche arbeiten die erste Hälfte des Monats nur, um Steuern, Gema, Miete und Versicherungen zu decken. Nach Jahrzehnten des Einzahlens in den Pott, hat die Kultur es nun auch mal verdient, vom Staat etwas zurück zu bekommen. Reinstecken tut die Politik im Vergleich zu anderen Branchen wenig, auch weil es keine starke Lobby gibt. Immerhin gibt es Vereinigungen wie die Livekomm, die mit ihrem Programm ‚Neustart Kultur‘ Locations fördern. Voraussichtlich werden wir auch dabei sein.
Hattet ihr kreative Lösungen, um den Laden immerhin ein bisschen am Laufen zu halten?
Ja, wir hatten ein paar Aktionen. Ab Mai/Juni hatten wir eine große Merch-Aktion. Dafür fragten wir sämtlich befreundete Bands aus Kiel, ob sie ihr Merch der Bude spenden würden, welches wir dann in einer Facebook-Auktion versteigerten. Das hat gut Anklang gefunden: Im September/Oktober hatten wir alles verkauft; das waren ungefähr 1000 Artikel. Eine Start-Next-Kampagne hatten wir auch, bei der wir Getränke-Gutscheine und Tickets verkauften. 
Und als ihr zwischenzeitlich kurz öffnen durftet?
Im Oktober hatten wir Konzerte. Insgesamt 30 Leute durften rein, was wir mit drei 10er-Tischen lösten. Ein Tisch konnte von einer Person für 100 Euro gekauft werden, die mit bis zu neun Freund*innen kommen konnte. Die Band war auf der Bühne, außer der/die Sänger*in: Den oder die steckten wir in die Garderobe rechts neben der Bühne, die mit einer Plexiglasscheibe verhangen war. Oben war eine Go-Pro befestigt, die sie oder ihn filmte, was auf einem großen Bildschirm links neben der Bühne übertragen wurde – damit alle sehen konnten. Die Organisation dessen war eine Akkord-Arbeit, weil alles so schnell und kurzfristig geplant werden musste. Wir hatten insgesamt fünf Veranstaltungen an den Wochenenden der zweiten Hälfte des Oktobers und teilweise auch Doppeltkonzerte, damit mehr Leute eine Band sehen konnten. Der November war auch voll geplant, was wir dann alles wieder absagen mussten. Mein Booker war daher auch echt am Ende.
Was habt ihr seitdem gemacht?
Seit Dezember sind wir dabei die Bude auf Vordermann zu bringen. Wir wollen die Tontechnik ausbauen, den Personalbereich schicker machen, Küche, Tresen – also komplett Klarschiff machen. Wir wissen gerade sowieso noch nicht, wie lange das geht und es wurde hier seit 18 Jahren nichts gemacht! Wir wollen die Zeit gut nutzen und haben alles andere runtergefahren.
Sänger*innenlounge
Sänger*innenlounge
Bei den Sitzkonzerten sind die Sänger*innen in die Garderobe gezogen
Bei den Sitzkonzerten sind die Sänger*innen in die Garderobe gezogen
Hast du Wünsche, die dir und der Bude weiterhelfen könnten in den kommenden Monaten?
Was ich kritisiere ist, dass das Hilfesystem gerade darauf ausgelegt ist, dass sich der/die Betreiber*in eines Ladens um alles kümmern muss. Wenn es darum geht, dass die Miete gezahlt werden muss, finde ich diese Vorgehensweise unlogisch. Wir machen echt schon viel: Spenden-Aktionen, Hygienekonzepte und so weiter. Sorgen um die ökonomische Existenz kommen noch dazu. Ich finde daher, es könnte umgelagert werden, sodass die Hilfe direkt an die Vermieter*innen geht. So wie es jetzt ist, kann sich der/ die Vermieter*in zurücklehnen und Leute rausschmeißen, wenn sie nicht zahlen. Wir wollen alle wieder aufmachen und sperren uns nicht gegen Hygienekonzepte, können also nichts dafür, dass wir die Miete im Zweifel nicht zahlen können. Von Kolleg*innen aus Hamburg oder Berlin habe ich mitbekommen, dass ihnen diese ständige Angst, dass das Geld für den nächsten Monat nicht reichen könnte, zu viel wurde. Die haben sich dann lieber einen anderen Job gesucht und dicht gemacht.
Was für Folgen würde es haben, wenn es vielen so geht?
Die Rechnung würde sehr hart werden. Wenn die ganze Kultur einbricht, dann sind das Kosten, die die Folgegenerationen tragen müssen. Der Mensch lebt nun mal nicht von Brot allein. Kulturelle Auslebung ist wichtig. Diesen kulturellen Mehrwert muss sich eine Gesellschaft leisten. Für die soziale Ruhe, für das Miteinander, für den Austausch sind kulturelle Institutionen einfach wichtig. Wenn Menschen das über einen längeren Zeitraum hinweg genommen wird, nimmt die Psyche Schaden davon. Das bekomme ich gerade auch immer mehr bei den Leuten mit, die der Schaubude nahestehen. 
Ist Kultur wichtiger als andere Bereiche?
Nein, ich möchte da nichts gegeneinander aufwiegen. Jede*r, der oder die einen gesunden Menschenverstand hat, kommt damit klar, kurzfristig nicht auf Konzerte oder Festivals zu gehen, wenn man damit verhindert, dass Menschen sterben. Wir gehen bald allerdings ins zweite Jahr dieser Umstände und es ist noch keine Besserung in Sicht - außer, dass es jetzt einen Impfstoff gibt. Langfristig muss eine Lösung gefunden werden, sonst werden psychische Probleme einfach zu groß.
Was meinst du, wie lange wir noch verharren müssen?
Also ich stehe in Kontakt mit einigen Bookingagenturen. In der Branche ist der Turnus gerade der, dass im ersten halben Jahr erstmal gar nichts stattfinden wird. Mit den ersten Veranstaltungen können wir vielleicht im Sommer rechnen. Dabei habe ich aber auch noch Bedenken. Solche Mikro-Konzerte, wie wir hier schon hatten, kann ich mir im Sommer vorstellen. Ich will darüber aber auch am Liebsten gar nicht so viel nachdenken. Ich höre Nachrichten und warte darauf, was die Regierung sagt. So wie alle sind auch wir von der Schaubude in einem Wartezustand und versuchen das Beste daraus zu machen.

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