Das Luna ist einer der Clubs für Subkultur in Kiel. Zentral in der Bergstraße lässt es sich freitags zu feinsten elektronischen Bässen tanzen und samstags zu HipHop-, Raggae- oder Dub-Mukke. Bereits seit 20 Jahren ist das Luna eine bedeutsame Anlaufstelle für subkulturelle Nachtschwärmer*innen. Jan, Marc und Philipp haben den Club im Januar 2020 frisch übernommen. Das Trio behütet das Luna nun in cleverer Arbeitsteilung: Jan ist absoluter Bar-Mensch und kümmert sich um alles, was mensch von außen sieht. Marc ist der Booker und gestaltet kulturelle Angebote sowohl innerhalb als auch außerhalb des Clubs. Philipp hält dem Laden den Rücken frei und regelt den Papierkram. Alle drei sind außerdem als Musiker und/oder Musikproduzenten unterwegs, was ihnen besonders in dieser Zeit positiv auf‘s Gemüt schlägt. Wir haben mit Jan gesprochen, der noch mehr zu ihrer aktuellen Lage erzählt.
Ca. zwei Monate nachdem ihr den Club übernommen hattet, kam schon der Lockdown. Wie war das für euch?
Ich erinnere mich noch, dass wir an dem Tag, an dem der Beschluss für oder gegen einen Lockdown fallen sollte, schon am Tresen saßen und gesagt haben: Ok, wir machen dicht – so oder so. Wir cancelten also die Veranstaltungen, was für den ersten Samstag ziemlich schwer war, weil wir einen DJ aus Prag eingeflogen hätten. Nachdem alles abgesagt war, wurden wir erstmal in ein Loch geworfen, weil wir nicht wussten, was kommt. Reden wir von zwei Wochen, von einem Monat oder länger?
Wie ging es dann für euch weiter?
Wir haben die Zeit genutzt und das gemacht, was möglich war. Erstmal waren wir alle für zwei Wochen zu hause in Quarantäne und haben dann angefangen, hier rumzurödeln, den Club zu verschönern und umzubauen.  Uns war relativ schnell klar, dass, wenn es wieder losgeht, kein normaler Clubbetrieb stattfinden würde, sondern ein kleineres abgespecktes Barprogramm. Tatsächlich hatten wir das sowieso vor, aber ursprünglich erst in den nächsten paar Jahren. Wir haben Sitzmöbel gebaut, die Bar umgestaltet, neu dekoriert und uns ein komplettes Barkonzept geschaffen. Am 18. Mai konnten wir dann die Luna-Bar eröffnen. In Anbetracht der Abstandsregelungen gibt es 43 Sitzplätze. Mit dem Betrieb sind wir dann ganz gut durch die Zeit gekommen.
Wie sah es mit Veranstaltungen aus?
Hatten wir nicht. Wir konnten die DJs, die normalerweise bei uns aufgelegt hätten, Barsessions hinter einer Plexiglasscheibe spielen lassen – nur leise als Hintergrundmusik. Viele sind Berufs-DJs und auf das Geld angewiesen. Außerdem haben wir den Anspruch, weiterhin ein Musikclub zu sein; einfach eine Playlist laufen zu lassen, kam für uns daher nicht in Frage.
Konntet ihr euch über den Barbetrieb wirtschaftlich tragen?
Kaum. Ein Club kostet einfach Geld. Na klar wollen wir alle Spaß haben, aber am Ende muss die Feierei bezahlt werden. Barsessions sind auf jeden Fall total schön, weil die Stammgäst*innen und andere Menschen mal wieder hier sein können. Aber 43 Sitzplätze sind einfach kein Vergleich zu einem gut besuchten Club, in dem alle tanzen und schwitzen. Damit wollen wir eher zeigen, dass wir noch da sind. Finanziell puffert es ein bisschen, aber verdienen tun wir daran nicht besonders.
Was hat euch stattdessen geholfen?
Dass wir eine staatliche Förderung bekommen konnten, hat sehr lange gedauert. Was uns half, war zum Beispiel die Aktion von Lillebräu und auch die Spendenaktion von „Together at Home“ über KielHilftKiel, bei der Live-Streams veranstaltet wurden. Auch jetzt gibt es wieder eine Streaming-Aktion, bei der wir mitmachen. Dass es mit den Überbrückungsgeldern so lange gedauert hat, lag an der erst kürzlich stattgefundenen Betriebsübernahme. Auf diese Umstände waren die Hilfen nicht angepasst. Es hat im Endeffekt aber noch geklappt.
Wie war der zweite Lockdown für euch?
Das war ganz schön frustrierend. Schon wieder sind wir in dieser Situation, in der wir nicht wissen, wie und wann es weiter gehen kann. Alle reden vom Impfstoff, aber bezüglich der Hochrechnungen, wann genug Menschen geimpft sein werden, muss mensch nicht Raketenwissenschaften studiert haben, um zu verstehen, dass die Club-Szene die letzte sein wird, die wieder öffnen darf. Niemand wird sagen: Geil, jetzt schicken wir die Leute wieder in einen Keller-Club, wo sich Menschen vollgeschwitzt aneinanderreihen.
Hast du Wünsche, die du an die Politik richten würdest?
Eine Vereinfachung und Beschleunigung der Prozesse. Steuerberater*innen müssen derzeit Nachtschichten für gastronomische Betriebe einlegen, um diese ganzen Anträge bewältigen zu können. Und die Betreiber*innen hangeln sich von Monat zu Monat und warten eigentlich nur. Ein einfaches Konzept wäre da angebracht, wobei mir auch bewusst ist, dass diese Organisation eine große Herausforderung darstellt.
Fühlt ihr euch denn unterstützt?
Ja, schon. Die Hilfen und die Spenden kommen auf jeden Fall an, aber wir müssen trotzdem genau kalkulieren, damit es hinhaut. Manchmal wünschte ich mir, wir würden als Kulturstätte gelten. Wenn es hier so wäre, wie in Berlin, dass Clubs als Kultur gelten würden, dann hätten wir weniger Probleme, weil wir ganz andere Hilfen beantragen könnten. Wir können uns auf keinen Fall zurücklehnen und warten, bis es vorbei ist. Das Motto ist eher: „Cool, keine dritte Mahnung bekommen!“.
Wie bewältigt ihr diesen Druck?
In Kiel halten die Clubs und Bars schon immer sehr stark zusammen und unterstützen sich gegenseitig, was emotional sehr hilft. Wir sind alle solidarisch miteinander. Jetzt ist es nochmal intensiviert, weil wir ein größeres gemeinsames Ziel vor Augen haben. Je mehr wir zusammenhalten, desto mehr Spenden können wir generieren. Gemeinsam können wir ein vielfältigeres und größeres kulturelles Programm schaffen, für das die Leute bereit sind, ein Obolus dazulassen. Wir sind auf alle Fälle optimistisch und stecken nicht die Köpfe in den Sand.
Wie kann es in Zukunft weitergehen?
Ich wünsche mir ganz doll, dass es wieder so wird, wie früher. Wenn wir auf unsere Kalender gucken, sehen wir immer, wer am Tag eigentlich gespielt hätte. Marc und Philipp sind krass musikversiert und buchen immer richtig geile Sachen. Ich hoffe, dass wir weiterhin an diese heftigen Künstler*innen herankommen. Das wollen wir vor allem auch den Kieler*innen bieten! Dass wir die Bar etablieren konnten, freut mich persönlich besonders sehr. Ich habe früher im Mum&Dad gearbeitet und bin aus Liebe Barkeeper. An dieser Stelle Shoutouts an unsere Tresenkräfte im Club: Was die an einem Abend über den Tresen ballern, ist der Wahnsinn! Ich bin lahm, weiß aber, wie mensch eine gute Bar führt. Wir können hier in Zukunft sowohl Club als auch Bar bieten. Wenn Leute oben sitzen und Bock haben auf Tanzen, können sie runter gehen und die Leute unten können hochkommen zum Entspannen, wenn sie müde werden.
Wann könnt ihr die Pforten wohl wieder öffnen?
Ich hatte mal eine Prognose, bei der ich allerdings die Mutante nicht beachtet habe. Ich glaube, die Bar werden wir gegen Sommer wieder öffnen können. In meiner Prognose hätten wir mit einer 60/70 Prozent Impfrate den Club unter bestimmten Bedingungen im November/Dezember wieder anlaufen lassen können. Jetzt weiß ich es nicht mehr. Vielleicht wird es dieses Jahr auch gar nichts.
Was vermisst du besonders?
An der Bar zu stehen und mir das Getümmel anzugucken, macht mir besonders viel Spaß. Ich vermisse die Menschen. Ich persönlich gehe total gerne in Clubs, nicht um zu tanzen, sondern wegen eines ganz bestimmten Gefühls. In einem Club darfst du einfach du selbst sein, das ist essenziell wichtig. Wir wollen Menschen Räume geben, in denen sie einfach sein können. Diese Massen an Menschen zu sehen, die diese Musik und das Miteinander gerade fühlen. Eine Masse, die sich melodisch bewegt und fast schon künstlerisch ist. Diese Ästhetik mag ich sehr. Wo können wir sonst so sehr wir selbst sein? Es hat für mich etwas urinstinktives. 
Was bedeutet das Luna für Kiel?
Kiel ist eine kleine Großstadt, in der es nicht so viele Clubs gibt, in denen Subkultur wertgeschätzt wird. Das Luna tut dies und es ist total wichtig, Subkultur bieten zu können. Zum einen bieten wir Schutzräume für die freie Auslebung des Selbst und zum anderen bewahren wir gewisse Kulturformen, die sonst aus der Kulturlandschaft Kiels verschwinden würden. Eine Home-Base ist aber super wichtig. Alternativ müssten Menschen, die Bock auf sowas haben, dann nach Hamburg fahren. Es sind auch oft sehr junge Menschen, die sich kulturell ausprobieren wollen und dazu sollen sie weiterhin lokal die Möglichkeit haben. Das Luna gibt es hier seit 20 Jahren. Wenn wir dicht machen müssten, käme hier bestimmt kein neuer Club rein. Einen lauten Club mitten in der Innenstadt würde die Stadt heutzutage nicht mehr ohne Weiteres genehmigen. Was schade ist, denn ich glaube, dass Clubs dort sein müssen, wo die Menschen sind.  

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