In den dunklen Kellerräumen des Rathausbunkers finden normalerweise Partys statt, bei denen starke Bässe die Körper techno-affiner Menschen vibrieren lassen. Der Club, der sich vor sechs Jahren gründete, stellt eine etablierte Anlaufstelle der Kieler Subkultur dar. Neben den vielen DJs, die unter den niedrigen Decken auflegen, wird auch Platz für Musiker*innen geboten, die hier Proberäume anmieten können. Hinter dem Bunker steht ein Team aus Freund*innen, von dem in der Pandemie vorerst nur Tim und Janika übrig blieben. Die beiden haben uns nun erzählt, wie sie die Zeit seit Beginn der Pandemie empfunden und genutzt haben.

Janika und Tim hinter dem Tresen im Rathausbunker

Wie habt ihr denn den März 2020 erlebt?
Janika: Wir waren gar nicht in Kiel, sondern in Portugal. Wir gehörten wahrscheinlich zu den letzten Menschen, die noch in den Urlaub fliegen konnten. Die Vertretung in der Schichtleitung musste dann alles regeln.
Tim: Es kam auf jeden Fall etwas überraschend. Die Veranstaltung am Freitag, den 13. hat schon nicht mehr stattfinden können. Wir hatten Ende 2019 auch gerade den Hochbunker in Gaarden frisch übernommen. Da sollte also auch etwas stattfinden, was wir vom Urlaub aus canceln mussten.
Was habt ihr dann gemacht?
Janika: Wir haben dann ziemlich schnell einen Merch-Verkauf angeleiert – noch während wir im Urlaub waren. Der Gedanke dahinter war, dass die Fixkosten dadurch gedeckt sein sollten.
Tim: Ich bin ein Zahlen-Mensch und habe mir direkt Gedanken gemacht, wie das alles hinhauen kann. Zusammen mit anderen Clubs hatten wir schon sehr früh die Köpfe zusammengesteckt und überlegt, was wir jetzt machen können. Wir haben dann schnell einen Online-Shop via facebook erstellt, in dem wir T-Shirts, Pullis etc. mit unserem Logo verkaufen.
Und ist der Plan aufgegangen?
Tim: Ja, ganz gut. Aber auch, weil viele so nett waren und dem Bunker Geld spendeten. So war es auch gedacht: Ihr spendet und bekommt beispielsweise ein Shirt dafür zurück.
Wie war es, als ihr aus eurem Urlaub wieder zurück in Kiel wart?
Tim: Ich hatte damals meinen zusätzlichen Job gerade erst gekündigt, weil der Bunker gut lief und es echt Spaß machte. Ich suchte mir dann also wieder einen neuen Job. Das ist auch erstmal in Ordnung, aber ich würde mich natürlich freuen, wenn es hier bald weiter gehen kann und es wieder so gut läuft, wie vor der Pandemie. Wir wurden auch gut aufgefangen durch die Spenden, aber ein bisschen Angst spielte trotzdem mit. Überbrückungshilfen gab es da noch nicht und alles war sehr vage.
Wie ging es weiter?
Tim: Es war dann erstmal klar, dass wir durch unsere Rücklagen und die Spenden vier Monate überbrücken konnten. Wir hatten das Glück, im August den gesamten Bunker über die Veranstaltungsflächen hinaus zu übernehmen. Das bedeutet, dass Proberäume hinzukamen, die wir nun an Musiker*innen vermieten. Das kompensiert die Verluste auch zu einem Teil.
Was habt ihr zwischen den beiden Lockdowns gemacht, als Veranstaltungen zu Corona-Bedingungen stattfinden durften?
Tim: In den Bunker durften 50 Personen und wir haben so ein paar Events gehabt. Das war aber nur ein ganz kurzer Zeitraum und es durfte nicht getanzt werden. Es war eher wie ein großes Wohnzimmer, was auch cool war. Der Bootshafensommer und das Kultur-Pop-Up haben uns auch sehr geholfen. Wir konnten die Verluste dadurch zumindest ein bisschen wieder gut machen und es war schön, sich mal wieder zeigen zu können.
Janika: Die Veranstaltungen haben ein kleines Bunker-Gefühl erzeugt und es war sehr schön, mal wieder feiern zu können. Wir waren in dem letzten Jahr sehr erfinderisch, was auch Spaß gemacht hat und nehmen daher auch viel Positives mit. Die Zeit nutzten wir gut für Renovierungsarbeiten. Normalerweise haben wir fünf Tage Zeit, hier irgendwelche Sachen zu ändern. Es war toll, mal ein paar Wochen am Stück zu streichen und die Räume neu zu gestalten.
© Rathausbunker
© Rathausbunker
© Rathausbunker
© Rathausbunker
Gab’s noch weitere kreative Ideen im zweiten Lockdown?
Tim: Wir haben den ‚Homeclub.Kiel‘ ins Leben gerufen. Die Idee ist, Live-Sessions von Kieler Musiker*innen in verschiedenen Clubs in Kiel stattfinden zu lassen. Menschen können diese dann zuhause streamen. Das Projekt wurde von ‚KielHilftKiel‘ gefördert.
Janika: Dabei geht es auch darum, dass die Gäst*innen, die sonst im Bunker sind, sehen, dass wir noch da sind und feiern können. Wir wollen den Club zu den Leuten nach Hause bringen. Das ist das Mindeste, was wir tun können. Der Bunker und das Luna waren nun schon bei den Leuten zuhause und als nächstes auch die Villa und die Hansa48.
Für euch persönlich stellt der Clubbetrieb ja wahrscheinlich auch ein bestimmtes Lebensgefühl dar. Wie geht es euch damit, dass es gerade nicht da ist?
Janika: Also wir freuen uns auf jeden Fall sehr, wenn es irgendwann wieder losgehen wird. Die Vorstellung, dass in diesen Räumen mal 200 Leute waren, ist manchmal so weit weg, dass es auch traurig macht.
Tim: Ich bin gespannt, wie es sich wieder anfühlen wird. Ich glaube, ich werde erstmal ein bisschen überfordert damit sein. Eigentlich war ich schon Profi darin, nicht überfordert zu sein und habe es sogar genossen.
Janika: Ich glaube, wir kommen da trotzdem relativ schnell wieder rein!
Wann wird es wohl wieder so, wie es mal war?
Tim: Also letztes Jahr haben wir mal intern eine Wette abgeschlossen, die wir leider alle verloren haben. Es ist sehr schwierig, das abzuschätzen. Ich würde mich auf jeden Fall freuen, wenn Events im September/Oktober wieder im kleinen Rahmen möglich sein werden.
Janika: Wie dieser Rahmen dann aussieht, ist auch noch die Frage. So viele Menschen auf einem Haufen ist für viele wahrscheinlich dann immer noch ein befremdliches Gefühl. Ich versuche aber auch, mir nicht allzu viele Gedanken darüber zu machen, wann es wohl wieder losgehen wird.
Habt ihr Wünsche für die kommende Zeit?
Tim: Bedauerlich ist, dass die ganzen Hilfen, die wir bekommen, eigentlich direkt weiter gehen an irgendwelche Vermieter*innen. Es wird quasi Eins zu Eins durchgereicht.  Dieses System könnte mensch auf jeden Fall optimieren. Und allgemein wäre ein Fahrplan toll, an dem mensch sich orientieren kann, weil sich ja schon einiges immer recht kurzfristig ändert. Es ist aber natürlich auch schwierig, weil sich so vieles spontan entwickelt.
Janika: Ich finde, dass nicht richtig deutlich gemacht wird, wie notwendig die Existenz von Subkultur ist. Viele jüngere Generationen haben zurzeit gar keine Berührungspunkte zu vielen Formen von Kultur. Es ist nicht nur einfach laute Musik und stumpfes Feiern, sondern für einige Leute ein bisschen mehr. Ich wünsche mir, dass die Bedeutung von Subkultur von der Politik ein bisschen ernster genommen wird.
Was ist der Mehrwert der Veranstaltungen im Bunker?
Tim: Austausch ist ein sehr wichtiger Punkt. Mir persönlich geht es gar nicht primär ums Tanzen. Ich liebe es, mich mit den Leuten hier auszutauschen. Das wird häufig vergessen, glaube ich. Subkultur hat drei essenzielle Aspekte: den kulturellen, den ästhetischen und den monetären. Künstler*innen können sich darstellen, es werden Räume zum Wohlfühlen gestaltet und ökonomische Lebensgrundlagen geschaffen. Subkultur muss außerdem als Angebot verfügbar sein, damit jüngere Generationen die Möglichkeit haben, ihren Charakter auszubilden und Antworten zu finden auf die Frage: Wer bin ich denn eigentlich?

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